Die Frage nach der Selbstregulation mag für viele im Dunkeln liegen, doch sie ist eine der grundlegendsten Funktionen unseres Lebens. Diese Fähigkeit entwickelt sich in den ersten drei Lebensjahren und wird maßgeblich von der Qualität unserer Bindungen und Kontakte zu unseren Bezugspersonen geprägt.
Unsere Fähigkeit zur Selbstregulation beeinflusst unser Verhalten auf vielfältige Weise: Sie bestimmt, wie glücklich wir sein können, wie widerstandsfähig gegenüber Stress wir sind, wie gut wir Impulse kontrollieren können und wie wir auf belastende Situationen reagieren. Außerdem beeinflusst sie unsere soziale Interaktion und unsere Fähigkeit, einen klaren Kopf zu bewahren, wenn Anforderungen an uns gestellt werden.
Aber was genau bedeutet Selbstregulation und wie kann sie uns helfen? Eine gut ausgeprägte Selbstregulation ermöglicht es uns, bewusste Entscheidungen zu treffen, ein Gefühl von Wohlbefinden in unserem eigenen Körper zu haben und Neugier und Freude am Leben zu empfinden.
Wenn unsere Selbstregulation schwach ist, leben wir oft reaktiv und haben das Gefühl, dass das Leben uns kontrolliert, während wir nur auf Ereignisse reagieren. Wir erleben eine ständige innere Anspannung und sind in einem Funktionsmodus gefangen. Oft bemerken wir nicht einmal, dass wir den Kontakt zu unserem Körpergefühl verloren haben. Mit der Zeit breiten sich jedoch Unzufriedenheit, Enttäuschung und manchmal auch körperliche Symptome in unserem Leben aus.
Wenn wir zu lange im Funktionsmodus verharren, fühlen wir uns erschöpft, ausgebrannt und freudlos. Wir könnten uns auf dem Weg zum Burnout, zu Depressionen oder zu Ängsten befinden. Manche bleiben sogar jahrelang in diesem Zustand stecken. Die Frage „Was ist Selbstregulation?“ ist also gar nicht so einfach zu beantworten. Im Laufe dieses Textes werden wir uns dieser Antwort jedoch immer weiter annähern.
Autonomie und Beziehung – ein unauflösbarer Konflikt?
In einem Funktionsmodus zu sein, bedeutet, in der Lage zu sein, weiterhin zu funktionieren. Wir sind den ganzen Tag darauf angewiesen, uns selbst zumindest so zu regulieren, dass wir in einem guten Funktionsmodus bleiben können. Obwohl es sinnvoll ist, diesen Modus zu haben, ist er doch nur ein Funktionsmodus und nicht das volle Leben mit Lebendigkeit und Freude.
Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, uns selbst zu regulieren, greifen wir auf äußere Ressourcen zurück – sowohl auf funktionale als auch auf dysfunktionale.
Eine der Hauptquellen, um unser inneres Gleichgewicht wiederherzustellen, ist der Kontakt. Wenn wir gestresst sind, hilft uns der Kontakt zu anderen Menschen, wie wir es schon als Babys gelernt haben: Der Kontakt mit Mama. Auch als Erwachsene suchen wir diesen Kontakt, sei es durch Gespräche, Anrufe bei Freunden oder das Aufsuchen von Beziehungspartnern. Manchmal reicht das Sprechen allein jedoch nicht aus, und wir sehnen uns nach körperlicher Nähe. Wir möchten in den Arm genommen werden oder uns bei einem vertrauten Menschen ausweinen. Oftmals sieht die Welt danach schon anders aus, und wir können uns beruhigen und neue Perspektiven finden.
Für manche Menschen ist es jedoch schwierig, mit ihrem inneren Leidensdruck auf andere zuzugehen. Sie haben verlernt, um Hilfe zu bitten. Wie gestörte oder unsichere Bindungen die eigene Regulation erschweren, liefert auch Antworten auf die Frage „Was ist Selbstregulation?“:
Für manche Menschen, die unsichere Bindungen in ihrer frühen Kindheit erlebt haben, ist es schwer vorstellbar, dass jemand für sie da sein möchte. Noch unwahrscheinlicher ist es für sie, sich bei jemandem anzulehnen und sich halten zu lassen. Dadurch, dass sie diese Erfahrung nie gemacht haben, liegt sie außerhalb ihres Vorstellungsbereichs. Dennoch können sie dies lernen, wenn sie auf Menschen treffen, die es als selbstverständlich erachten, jemanden zu umarmen.
Dann gibt es noch diejenigen, die sich entschieden haben, niemanden mehr zu brauchen oder zu vertrauen. Diese Entscheidung resultiert oft daraus, dass sie als Kinder gedemütigt oder zurückgewiesen wurden, wenn sie nicht alles alleine bewältigen konnten. Oder sie haben gelernt, dass sie „bestraft“ werden, wenn sie Hilfe benötigen. Sie haben das Gefühl, dass sie für jede „Schwäche“ einen Preis bezahlen müssen. Dies geschieht, wenn ein Kind um Hilfe bittet, zum Beispiel um einen Turm höher zu bauen, und eine Bezugsperson dann den Turm alleine baut und dem Kind sagt, was es falsch gemacht hat. Wenn ein Kind immer wieder erlebt, dass es entmündigt und entwertet wird, wenn es um Hilfe bittet, wird es irgendwann aufhören zu fragen.
Die meisten Menschen treffen irgendwann in ihrer Kindheit (wieder unbewusst, aber dennoch nachhaltig) die Entscheidung zwischen dem Schutz ihrer Würde oder dem Aufrechterhalten der Beziehung. Wenn sie Streit mit ihrem Partner haben, ziehen sie sich dann zurück oder werden sie aggressiv oder bemühen sie sich darum, den Konflikt zu lösen?
Menschen, die sich dafür entscheiden, ihre Würde zu schützen, zahlen oft einen hohen Preis, da sie sich von tiefen Beziehungen abschneiden. Dies führt dazu, dass sie ihre Bedürfnisse verleugnen, um nie wieder jemanden zu brauchen und dann möglicherweise Angst haben, abhängig zu sein.
Wenn dieser Prozess bei Kindern sehr stark ist, haben die Eltern oder Erzieher irgendwann keinen Einfluss mehr auf das Kind. Es wird jede Form von Beziehungsangebot ablehnen und oft für Ärger sorgen.
Menschen, die sich immer für die Beziehung einsetzen, zahlen natürlich auch einen Preis: manchmal mit ihrer Würde. Sie bleiben zu lange und versuchen zu lange zu reparieren und die andere Person wieder in Beziehung zu bringen. Letztendlich kämpfen sie gegen ihre Angst vor dem Alleinsein und der Verlassenheit. Diese Angst ist so stark, dass sie vieles opfern. Irgendwann ist es sinnvoll, sich dieser Angst
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